Dorothea Hars
Was Zeitzeug*innen erzählen: Heute mit Dorothea Hars
Dorothea Hars, geb. Zikowsky (*1941) erzählt
Ende 1953 zogen wir, meine Mutter, die ein kleines, halbes Doppelhaus erworben hatte, mein Großvater, meine kleine Schwester und ich nach Dassendorf in die Waldsiedlung. Nach der Vertreibung aus Pommern hatten wir vorher sieben Jahre in Gülzow beim Förster im Fasanenhaus gewohnt. Mein Vater ist im Krieg gefallen.
Meine Schwester und ich teilten uns nun ein kleines Zimmer unter dem Dach. Das Zimmer erreichten wir über eine Leiter, die dann immer an die Wand gehängt wurde, wenn man unten durch den Flur gehen wollte. Hinter dem Haus gab es eine Pumpe für das Wasser und im zugigen Schuppen war das Plumpsklo. Aber es war unser!
Es wurden auch ein paar Hühner und Kaninchen angeschafft, für die wir immer Futter suchen mussten. Für das Holz zum Heizen und Kochen sorgte mein Opa. Er holte vom Förster in Aumühle dafür einen Sammelschein. Oft mussten wir den Ziehwagen mit anschieben, um das Holz nach Hause zu holen.
Die Schule befand sich im Dorf, neben dem Gebäude der jetzigen Feuerwehr und im Gebäude gegenüber. In einer Klasse wurden drei Jahrgänge gleichzeitig unterrichtet. Wir hatten in der einen Woche am Vormittag und in der anderen Woche am Nachmittag Unterricht. Mein Lehrer hieß Herr Schmidt; Erdkunde hatte ich bei Herrn Miske. Wir gingen bei Wind und Wetter immer zu Fuß aus der Siedlung ins Dorf zur Schule.
Gespielt haben wir im Wald oder auf der Straße, Völkerball, Kibbel-Kabbel, Messersteck und so weiter. Gerodelt wurde am Brandschutzstreifen oder im Bistal.
Während der Ferien habe ich gejobbt: bei Bauer Haak Rüben gehackt, bei Bauer Hamester Kartoffeln gesammelt, in Hohenhorn bei Putfarken Erdbeeren gepflückt. Dazu wurden wir mit dem Trecker vor 5 Uhr abgeholt und am Nachmittag wieder gebracht. Wir bekamen 10 DM auf die Hand, das war immer eine Freude. Im Herbst pflückte ich in Kröppelshagen Tabak. So konnte man sich etwas leisten. Wollten wir ins Kino gehen, gingen wir nach Bergedorf, Aumühle, Geesthacht oder Schwarzenbek. Zu Fuß.
Es gab viele Läden im Ort, für Lebensmittel z.B. Einfeldt am Kreuzhornweg oben, Hoffmann am Kauersweg, Solterbek am Nienhegen mit Kohlenhandel, Einfeldt am Müssenweg und Schlottau im Dorf. Eisenwaren, auch einzelne Schrauben, gab es bei Benthack an der Ecke Bornweg-Kreuzhornweg. Als die Siedlung am Kreuzhornweg fertig war, gab es den Schlachter Hänsel und davor die Drogerie Potschka. Ab und zu kamen ein Bäcker und ein Fischauto durch Dassendorf gefahren. Es gab noch viel mehr Läden! Gaststätten gab es: „Zum hohen Berg“ im Dorf, „Dunkelmann“ Ecke Müssenweg-Mühlenweg und natürlich die „Waldschenke“ am Riesenbett. Die großen Feste wurde meistens „Zum hohen Berg“ gefeiert, weil da der Saal am größten war.
Nach der Schulzeit in Dassendorf ging ich erst ein Jahr auf die Haushaltungsschule in Geesthacht, dann ein Jahr auf die Frauenfachschule nach Bergedorf und schließlich auf die Chemiefachschule in Hamburg, um Chemielaborantin zu werden. Nach der Ausbildung bekam mich gleich eine Anstellung in Hamburg. Ich fuhr jeden Morgen, auch am Sonnabend, mit dem Bus, der S-Bahn und der Straßenbahn. Hier ging es um 6 Uhr los, um pünktlich um 8 Uhr bei der Arbeit zu sein. Mich zog es dann 1962 nach Hamburg, nachdem ich geheiratet habe.
Aber 1971 bekam ich von meiner Mutter ihr Häuschen und wir zogen mit unseren Kindern, einem Sohn und einer Tochter, wieder nach Dassendorf zurück. Wir kauften die andere Haushälfte und bauten 1975 ein richtiges Haus aus den beiden Hausteilen, wobei das Plumpsklo endlich verschwand.
Hier leben wir immer noch und ich gehe auch weiterhin viel und gerne durchs Dorf und durch den Wald.
Fotos: alle privat
1 = Dorothea Hars im Jahr 2024
2 = Meine Mutter Hildegard Zikowsky vor unserer Haushälfte, vom Kreuzhornweg aus gesehen (1955)
3 = Die 7., 8. und 9. Klasse (1954) mit dem Lehrer Herrn Schmidt. Dorothea Zikowsky sitzt vorne in der Mitte mit dem hellen Pulli.
4 = Dorothea Zikowsky im März 1954 neben dem Haus, im Hintergrund die kleine Brücke über den Graben, um auf den Kreuzhornweg zu kommen.
Liebe Dassendorferinnen und Dassendorfer,
wie sich unser Heimatort und seine Infrastruktur stetig entwickelte, können Sie in den beiden Chroniken nachlesen, die Sie in unserer DassendorfApp unter der Rubrik Freizeit & Leben finden.
In dieser Artikelserie wollen wir Menschen zu Wort kommen lassen, die die 1950er/1960er Jahre hier im Ort erlebt haben. Wir wollen Geschichten für uns alle und für das „Ortsgedächtnis“ festhalten.
Es geht hier nicht um genaue Daten, Fakten oder detaillierte Geschichtsschreibung. Es geht um persönliche Erinnerungen, auch an einzelne Erlebnisse.
Ob daraus mal ein Vortragsabend wird? Eine Fotoausstellung? Oder ein Buch? Das ist noch offen. Mal schauen, was wir gemeinsam zusammengetragen bekommen.
Wenn Sie etwas erzählen möchten, melden Sie sich gerne bei Bürgermeisterin Martina Falkenberg.
Wilfried Falkenberg