Li Hagen blickt zurück
Zeitzeugin
09.07.2024
Als ersten Teil des Projekts „Zeitzeug*innen blicken zurück“ können Sie hier die Erinnerungen von Lehrerin Li Hagen, geboren am 20. April 1931, an ihre Jahre in Dassendorf verfolgen:
Direkt nach der ersten Lehrerprüfung an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg im Dezember 1959 kam meine Dienstortzuweisung als Junglehrerin nach Dassendorf. In ein Dorf sollte ich also, wo liegt das denn? Als gebürtige Pinnebergerin wäre mir eine kleine Stadt lieber gewesen.
Ich stellte erleichtert fest, dass ich dort mit Bahn und Bus gut hingelangen werde. Bis Bergedorf fuhr ich mit der S-Bahn. Mit dem Bus Richtung Schwarzenbek ging es bis zur Haltestelle, die heute nach dem Heidkoppelweg benannt ist. Frau Schmidt, die Ehefrau des Schulleiters, winkte mit einem Blumenstrauß. Sie begrüßte mich herzlich und führte mich durch eine Siedlung im Aufbau zu ihrer Dienstwohnung. Es war ein kleines Haus, das direkt neben der neuen Schule stand, meinem künftigen Einsatzort. Leider konnte ich meine eigene erste Dienstwohnung noch nicht beziehen. Sie wurde noch renoviert. Drei Wochen musste ich überbrücken, indem ich von den Eltern in Pinneberg täglich nach Dassendorf pendelte.
Ich habe mich schnell in Dassendorf verliebt: ein schöner Ort, aufgeteilt in Dorf und Siedlung. Meine erste Dienstwohnung unter dem Dach bei Familie H. im Müssenweg fühlte sich wie purer Luxus an, auch wenn sie mit einigen Beschwernissen verbunden war. Sanitäre Einrichtungen im heutigen Sinne gab es dort noch nicht. Die Wasserpumpe stand im Garten, ebenso das „Plumpsklo“. Das Schleppen der Briketts und des Frischwassers über eine steile Treppe war beschwerlich.
Da war ich froh, dass mein Vater sich als Kaufmann bereits zur Ruhe gesetzt hatte. So konnte er zwei Mal in der Woche mit Bus und Bahn anreisen. Er unterstützte mich bei der Ver- und Entsorgung von Kohle, Asche und Wasser.
Zuerst hatte ich im Wohnzimmer einen „Kanonenofen“ aus Eisen stehen. Leicht geriet er ins Glühen, das empfand ich als bedrohlich. Ich war froh, ihn bald durch einen Kachelofen ersetzen lassen zu können, da ließ sich die wohlige Wärme entspannter genießen.
Während meines Studiums leistete mir ein Moped gute Dienste, auch für manchen schönen Ausflug nach Dänemark. Mein Vater brachte es mir nach Dassendorf. So konnte ich auch leichter nach Aumühle gelangen, um in Hamburg ins Theater oder in Konzerte zu gehen.
Eine besorgte Nachbarin, kaum älter als ich, teilte mir gelegentlich mit, wie lange ich abends noch am Schreibtisch gesessen hatte. Von ihrem Haus aus konnte sie das Licht in meinem Fenster sehen, das um 23.30 Uhr noch brannte. Ich empfand dies als nachbarschaftliche Fürsorge. Ich hatte Verantwortung für drei Schuljahrgänge, sie für vier kleine Kinder. Ohne Waschmaschine und heutige Papierwindeln war dies sicher auch keine leichte Aufgabe, die sie nach meiner Beobachtung vorbildlich meisterte.
Bald konnte ich mir ein erstes, kleines Auto leisten. Ich erstand ihn bei einem Gebrauchtwagenhändler an der Sternschanze. Es war der erste Lloyd (von Borgward, Bremen) aus Blech, aber noch mit Holzboden. Darum hieß es auch weiterhin: „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“. Immerhin hatte ich beim Fahren nun ein Dach über dem Kopf. Ich benötigte das Auto vor allem, um zu Fortbildungen in die verschiedenen Schulen der näheren Umgebung fahren zu können. Ohne eigenes Fahrzeug wäre es mir nicht möglich gewesen, bis um 7.30 Uhr dort hinzugelangen.
Ich fühlte mich wohl in der kleinen Schule in Dassendorf. Hier wollte ich eine Weile bleiben. Das jährliche Fest der Schule, das Vogelschießen, war die Attraktion. Auf Vögel aus Holz wurde dort auch zu meiner Zeit nicht mehr geschossen. Es fanden am Vormittag Wettkämpfe in Eierlaufen, Sackhüpfen und ähnlichem statt. Die Kinder mit den meisten Punkten wurden in der Oberstufe zu Königin und König, in der Unterstufe zu Prinzessin und Prinz proklamiert. Nach der Reihenfolge der erreichten Punkte konnten sich die Kinder in den Klassenräumen ihre Geschenke aussuchen. Leider gab es dann auch manche Träne, wenn das erhoffte Geschenk den Gabentisch bereits verlassen hatte, nur noch wenige Teile dort lagen.
Der Nachmittag und der Abend des Festes wurden von der Feuerwehr organisiert. In der Schule wurde das Aufstellen des Umzuges geübt. Es sollte harmonisch aussehen. Die Jungen trugen Blumenstöcke und die Mädchen taten sich zum Tragen von Blumenbögen zusammen. Am Nachmittag ging es von der Schule aus Richtung Dorf zum Hof Hamester, wo den Erwachsenen ein Umtrunk eingeschenkt wurde, die Kinder bekamen Bonbons. Dann ging es durch den Hohlweg zum Gasthaus "Am hohen Berg". Im Saal zeigte jede Schulklasse einen einstudierten Tanz, danach spielte die Band für alle. Entlang des Hohlweges und im Garten der Gaststätte wurde gespielt und gefeiert.
Bei Elternabenden wurden in der Schule Theaterstücke von den einzelnen Klassen aufgeführt. Durch Schiebetüren war es möglich, einen Klassenraum zu erweitern und Raum für eine "Bühne" und einen Zuschauerraum zu erlangen. Dorthin kamen die Eltern der vorführenden Kinder. In Erinnerung geblieben ist mir die Vorführung des „Dicken, fetten Pfannekuchens“. Die Mutter des Hauptdarstellers hatte ihrem Sohn an die Verkleidung frischgebackene Waffeln geheftet. Der ganze Saal duftete danach. Der entstandene Appetit konnte nicht befriedigt werden, denn Waffeleisen und Teig waren zu Hause geblieben.
Als Mathematik- und Geographielehrerin machte ich mir schnell einen Namen. Weil ich Orgel spielen konnte, wurde ich von Pastor Schirren als Organistin und Chorleiterin engagiert. Ich denke gerne an die Konzerte in der Dassendorfer Kirche und an die Weihnachtsfeiern zurück. Als ich 1975 die Rektorin-Stelle an der Grundschule in Wentorf übernahm, beendete ich diese Nebentätigkeit, die mir viel Freude bereitet hatte. Ich habe es mit Erleichterung wahrgenommen, dass sich noch im selben Jahr die Chorgemeinschaft gründete.
Gerne wohnte ich weiterhin in der kleinen Sackgasse in Dassendorf, in dem schönen Zuhause, das ich mir mit meinen Eltern geschaffen hatte. Ich genoss besonders den morgendlichen Blick aus dem Fenster von der Galerie, wenn an einem klaren Tag die Sonne aufging. Der Blick über den Kleingarten Richtung Sachsenwald war immer schön. Alles hat seine Zeit. Heute fühle ich mich dort wohl, wo ich nett behütet und betreut wohne.
Li Hagen
Fotos: Li Hagen
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