Kirche im November

Gedanken zum Tod

02.11.2025


Liebe Dassendorferinnen und Dassendorfer,

„Hier habe ich mal ein totes Eichhörnchen gesehen,“ erklärt mir ein Stimmchen vom Kindersitz auf der Rückbank im Auto. „Ein totes Eichhörnchen. Das war ganz tot.“ Gerade sind wir an einem überfahrenen Tier – war es ein Waschbär? – vorbeigesaust. Offenbar hat das Erinnerungen geweckt. Noch während ich überlege, was ich am besten erwidere, kommt von hinten eine neue Botschaft. Dieses Mal im Brustton der Überzeugung: „Aber Gott macht alle wieder lebendig.“

Wahrscheinlich hätte ich es gut damit bewenden lassen können. Kind glücklich, Thema für den Moment geklärt, offenbar ist von Ostern im Kindergarten etwas hängengeblieben. Blöderweise erwidere ich doch irgendetwas. Was genau, kann ich gar nicht mehr sagen. Vermutlich etwas, das diese kindliche Glaubensaussage in einen höheren, klarer ausdifferenzierten Reflexionsgrad erheben möchte. Dumm. Als Lohn finde ich mich in einer theologischen Diskussion wieder, die uns beiden jetzt gerade eigentlich zu viel ist. Irgendwann landen wir darin bei der altbekannten Aussage, dass man nach dem Tod zu Gott in den Himmel komme. Völliges Unverständnis vom Rücksitz, gepaart mit wohlwollender Belustigung über den alten Herrn am Steuer: „Aber Papa, Eichhörnchen können doch gar nicht fliegen!“ Stimmt.

Tatsächlich ist „Himmel“ zwar ein vertrautes, aber auch ein verwirrendes Bild, um zu beschreiben, wie es ist, bei Gott zu sein. Es ist ja auch nur eine gewohnte Abkürzung zu dem Bild, das die Bibel eigentlich verwendet. Sie spricht vom „Himmelreich“ oder einfach nur von „Reich“, vom „Königreich“ und der „Königsherrschaft“, dem „Herrschaftsbereich“ Gottes. Uns Demokraten des 21. Jahrhunderts mag auch das fremd erscheinen, aber es steckt etwas darin, was dem bloßen „Himmel“ fehlt: Beziehung. Gottes „Reich“ ist schließlich weniger ein lokalisierbarer Ort als ein Zustand, eine Seinsweise, in der Gott seine Herrschaft über mich und über die Welt ungehindert ausübt. Gott ist nah, Gott ist da und er handelt.

Wenn wir im Konfirmandenunterricht darüber nachdenken, was es bedeutet, dass Jesus uns „Gottes Reich“ gebracht hat, dann kommt irgendwann ein großer goldener Reifen ins Spiel. Als Zeichen für den Kreislauf von Licht und Leben als den Gott die Welt ursprünglich einmal geschaffen hat, als Zeichen für die ungebrochene Harmonie und die Gemeinschaft mit ihm, für die wir eigentlich gedacht sind. Und zu der Gott alle, die zu ihm gehören, nach dem Tod zurückführen wird. Darauf hoffen und daran glauben wir, gerade jetzt in der ernsten Zeit des Kirchenjahres, am Volkstrauertag, am Ewigkeitssonntag.

Diese Hoffnung, dass Jesus meine Hand fest genug ergriffen hat, um mich über die Schwelle des Todes in Gottes Arme zu ziehen, richtet sich auf die Zukunft. Und doch bleibt sie nicht dort. Denn so wie ich einmal bei Gott leben werde, lebt dieser Jesus ja jetzt schon. Bei mir. In mir. „Nicht ‚hier ist es‘ oder ‚da ist es‘“, sagt er zu seinen Jüngern über dieses Gottesreich und diese Gottesnähe. „Sondern das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lukas 17,21).  Stimmt. Um mich Jesus mit allem anzuvertrauen, was in mir tot ist, muss ich tatsächlich nicht fliegen können. Und Gott macht alle wieder lebendig. Das kann auch schon ein Kind erfahren.

Ihr und Euer Pastor Konrad Otto