Kirche im Mai

Geduld und Ungeduld

04.06.2024


Liebe Dassendorferinnen und Dassendorfer,

es gibt geduldige Menschen. Und es gibt mich. Oder andersherum: Es gibt Menschen wie mich und dann gibt es Menschen, die die Geduld aufbringen, ein Projekt über Wochen, Monate teils Jahre hinweg zu verfolgen, bei dem sie mit größter Präzision winzige Stücke Stoff aneinandersetzen, bis sich aus den unzähligen Einzelteilen ein harmonisches Muster bildet und ihre Mühe sich auszahlt.

Meine erste Begegnung mit den Sachsenwald-Quilterinnen war insofern beeindruckend. Ich meinte zwar, eine Vorstellung zu haben, was Patchwork ist und wie es aussieht. Aus der Nähe zu betrachten, wieviel Begeisterung und Ausdauer bereits in ein einziges Stück geflossen sein müssen, ist aber noch einmal ganz etwas anderes. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, ist herzlich eingeladen zur aktuellen Ausstellung in der Brunstorfer Kirche!

„Nur Gott ist perfekt“, meinten die Damen schmunzelnd auf mein Staunen hin. Hier und da gäbe es ja doch eine Unregelmäßigkeit im Muster oder eine falsch gesetzte Naht. Ich glaube ihnen das einfach mal. Als Laie erkenne ich es nicht.

Vielleicht kommt es aber ja nicht von ungefähr, dass sich für diese Handarbeitstechnik der englische Begriff durchgesetzt hat: „quilten“ oder eben „Patchwork“. Die deutsche Übersetzung zu Patchwork, Stückwerk, klingt deutlich weniger schmeichelhaft. Dabei wäre es doch ein Gewinn, alles, das was uns wie Stückwerk vorkommt, einmal aus dieser Perspektive zu betrachten und so auch das deutsche Wort zu rehabilitieren.

Wo in meinem Leben Muster aneinanderstoßen, die nicht zusammenpassen wollen, wo ich etwas falsch eingeschätzt habe und alles schräg wird, wo ich andere Pläne hatte, mir aber die Mittel ausgehen – wer sagt denn, dass das überhaupt noch wahrnehmbar sein wird, wenn ich erst einmal fertig bin und einen Schritt zurücktrete? Wer sagt denn, dass das außer mir überhaupt jemandem auffällt? Und – schließlich ist nur Gott perfekt – wer sagt denn, dass der, der mein Leben zusammenfügt, sich nicht sogar etwas dabei gedacht hat, oder zumindest ein neues Muster für mein Leben ersinnen kann, in dem mein Stückwerk aufgeht?

Die Bibel wäre voll von solchen Beispielen, allesamt drastischer, als es unser Leben für gewöhnlich ist: Familien, die zerbrechen müssen, um später zu einem Segen zu werden (Josef und seine Brüder). Propheten, die nur an den Ort kommen, Gottes Stimme zu hören, weil sie als Mörder aus ihrer Heimat fliehen mussten (Mose). Jesus Christus, dessen Niederlage am Kreuz sich in den Sieg verkehrt. Ein Tod, der die Welt rettet?

„Denn unser Wissen ist Stückwerk“, schreibt der Apostel Paulus. Aber einmal werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen: „Jetzt erkenne ich nur Teile des Ganzen, dann aber werde ich so erkennen, wie ich von Gott erkannt worden bin“ (1 Kor 13).

Mich macht es ja ungeduldig, solange warten zu sollen. Wie gut, dass Gott sich mir mit mehr Geduld widmet. Und Begeisterung. Und Ausdauer.

Pastor Konrad Otto

Foto: privat